Das neue Retail Omnichannel Commerce - Mini-Serie - Teil 2
von Jörg Brunschwiler am
Fokus Order Management Systeme (OMS) - welche Ansätze gibt es und was sind deren Auswirkungen
Im ersten Teil der Mini-Serie “Das neue Retail Omnichannel Commerce” sind wir u.a. auf die neuen Omnichannel-Anforderungen eingegangen. Der Teil 2 baut direkt darauf auf und beleuchtet, mit welchen Ansätzen diese Anforderungen angegangen werden können.
Mit jedem der folgenden Ansätze / Szenarien können Omnichannel-Anforderungen erfüllt werden. Im Zusammenspiel der wichtigsten beteiligten Systeme ERP, OMS und eCommerce zeigt sich der Charakter des Szenarios - jeweils mit grosser Auswirkung, z.B. auf eine nachfolgende Evaluation der Systeme.
Szenario 1 - “wie gehabt, ERP & eCommerce beinhalten OMS-Funktionalität”
- Sowohl in ERP als auch eCommerce-System sind OMS-Funktionalitäten mehr oder weniger statisch eingebaut - dies ist die IST-Situation, welche wir oftmals vorfinden.
- Da in diese Konstellation in den vergangenen Jahren viel Aufwand und Geld gesteckt wurde, soll dies grundsätzlich auch das SOLL-Szenario sein - fair enough!
- Eine anstehende Modernisierung des eCommerce-Systems ist grundsätzlich als 1:1-Austausch der bestehenden Lösung zu sehen, die OMS-Funktionalitäten müssen häufig auf dem neuen System nochmals entwickelt werden.
Szenario 2 - “spezialisiertes OMS zwischen ERP und schlankem eCommerce”
- Ein spezialisiertes Order Management System soll die Lücke zwischen ERP (zu wenig flexibel für die neuen Omnichannel-Anforderungen) und eCommerce (dort sollten diese übergreifenden Arbeitsprozesse der beteiligten Mitarbeiter aus Filiale und zentralen Diensten wie Support nicht verortet werden) schliessen.
- Dies ist das klassische Szenario, von welchem sich unsere Kunden die meiste Flexibilität versprechen und auf welches viele spezialisierte OMS am Markt abzielen - welche von der Architektur fast durchwegs moderne SaaS-Systeme sind.
- Die Evaluation eines spezialisierten OMS gestaltet sich sehr spannend, denn auch hier gibt es nochmals unterschiedliche Ansätze bezüglich Funktionsweisen und Lizenzmodellen.
- Hinsichtlich Projektkosten zu beachten: API-first klingt jeweils sehr gut, doch für bestimmte Cases muss das Interface dann auch gebaut werden!
- Notwendige Integration in sowohl ERP (ziemlich Standard) und eCommerce (da kann bei tieferen Integrationen in Richtung offene Warenkörbe etc. einiges an Aufwand anfallen) sind zu berücksichtigen.
Szenario 3 - “Kombiniertes Omnichannel eCommerce & starkes OMS”
- Ein Omnichannel eCommerce-System vereint OMS und eCommerce bereits ohne weitere Integration, was aus Prozess- und Architektursicht ein Pluspunkt ist.
- Sich vom favorisierten eCommerce-System zu trennen und sich in die Abhängigkeit eines neuen Herstellers zu geben, ist für viele Kunden ein schwieriger Schritt. Aus diesem Grund kommt dieser in freier Wildbahn nur zum Zeitpunkt und Kombination mit der ohnehin notwendigen Modernisierung des eCommerce-Systems in Frage.
- Wenn man sich zu besagtem Zeitpunkt auf diese Kombination einlässt, verspricht diese gegenüber einem Szenario 2 doch einiges an Vorteilen hinsichtlich Flexibilität sowie Projektkosten.
Szenario 4 - “Omnichannel Retail All-In-One-Lösung mit starken OMS & ERP”
- Eine Retail All-In-One-Lösung umfasst sämtliche für das Retail Business relevanten System-Bestandteile.
- Bei diesen umfassenden Lösungen gibt es nochmals zwei Lager - diejenigen, die sich unter einer Marke die Komponenten zusammengekauft haben und diejenigen, die als Komplettlösungen aus der KMU-Grösse herausgewachsen sind und durchaus für grössere Unternehmen in Frage kommen.
- Unter dem in 2021/2022 von Forrester geprägten Begriff “Digital Operations Platforms” ist etwas am entstehen, was diese All-In-One-Lösungen gut umschreibt.
Keines der genannten Szenarien ist grundsätzlich falsch bzw. weniger zukunftsfähig als das andere. Wichtig ist die Erkenntnis, dass mit einer Entscheidung für ein Szenarios die Richtung für wichtige Teile der Architekturlandschaft vorgegeben wird - mit grossen Implikationen auf die Reihenfolge der Evaluationen sowie der gesamten Digitalen Transformation der Architektur.
Bis anhin waren die beiden “Extrem-Szenarien” 1 (links) und 4 (rechts) weniger die angepeilten Zukunftsszenarien unserer Kunden - diese tendierten mehr zur Mitte, wobei stets auch auf der Hand liegende Zwischenszenarien diskutiert wurden.
In letzter Zeit wurde jedoch gerade das für viele Kunden unvorstellbare Szenario 4 zu einer möglichen Option - aus unterschiedlichen Situationen heraus standen hypothetische aber auch konkrete ERP-Re-Evaluation im Raum … und auf einmal durfte dabei sogar “das klassische ERP in der seit Jahrzehnten gewohnten Form” hinterfragt werden.
Und um genau dieses Szenario soll es im letzten Teil der Mini-Serie gehen:
- Teil 3: Fokus Digital Operations Platform (DOP) - weshalb sogar das alte ERP in Frage gestellt werden sollte