Das neue Retail Omnichannel Commerce - Mini-Serie - Teil 1

von Jörg Brunschwiler am

Fokus Situation und Flexibilität - warum die Architektur-Landschaft den neuen Omnichannel-Anforderungen nicht gewachsen ist

Obwohl wir uns mit diselva im B2B-Geschäft positionieren, haben wir durch unsere Erfahrungen und aktuellen Projekte einen guten Einblick in die B2C-Retail-Welt. Hinzu kommt, dass auch unsere B2B-Kunden in Teilbereichen ihres Geschäfts durchaus B2C-Retail-Herausforderungen haben und wir über diese Projekte mit denselben Prozessen und Systemen konfrontiert werden.

Was wir landauf-landab beobachten können ist, dass sich viele Retailer mit den gestiegenen Konsumenten-Anforderungen an kanalübergreifendes Bestellen und Liefern enorm schwer tun. Die heutigen Konsumenten möchten z.B. im physischen Store ein Produkt X kaufen und gleich mit nach Hause nehmen … und ein passendes Produkt Y, welches in einem anderen Store noch verfügbar ist, ebenfalls gleich bezahlen und sich nach Hause liefern lassen.
Ebenfalls ist das klassische “Online kaufen und Pick-up im favorisierten Store” eine beliebte Option - unabhängig davon, ob die Filiale oder der Online-Shop das Produkt vorrätig hat.

Dies sind nur zwei Beispiele von vielen Omnichannel-Prozessen, welche für die Kunden immer selbstverständlicher werden, doch im Hintergrund eine riesige Herausforderung für die Retailer darstellen.

Der einfache Grund: Die bestehenden Backend-Systeme (simplifiziert in der Grafik mit “ERP & CRM” bezeichnet) sind in der Basis nicht für das Zusammenspiel einer Vielzahl von neuen Kanälen mit unterschiedlichsten Anforderungen konzipiert. Als klassische “Systems of Record” gemäss Gartner’s Pace Layered Architecture sind diese auf solide Kern-Prozesse und Datenmanagement ausgelegt. Damit sind sie fast per Definition träge und nicht genügend flexibel, um diese Anforderungen der übergreifenden Prozesse von Online und POS zu meistern. Irgendwie hat man in der Vergangenheit einen Prozess nach dem anderen relativ statisch in der Kombination Online-Shop und ERP reingekriegt und alle Mitarbeiter auf die Abwicklung geschult ... aber von einer flexiblen und effizienten Handhabung ist das Ganze doch sehr weit entfernt.

Die notwendige Erneuerung der Systemlandschaft in Richtung Cloud löst dieses Problem übrigens auch nicht. Auch mit der aufwändigen Migration auf z.B. SAP S4/Hana plus der Evaluation einer neuen eCommerce-Lösung, welche im Kern eine moderne MACH-Architektur bietet, ist man der benötigten Omnichannel-Abdeckung keinen wesentlichen Schritt näher gekommen.

OMS Kontext-Architektur

Abhilfe schafft da eine “neue Art” von Order Management Systemen (OMS), welche im Kern die folgenden Anforderungen erfüllen:

  • Customer Order Management
    • Order Lifecycle Management - Verwaltung der einzelnen Aufträge von der Auftragserteilung bis hin zu After Sales Dienstleistungen
    • Rücksendungen und Rückerstattungen - Abwicklung der Retourenlogistik
  • Inventory Availability
    • Sichtbarkeit der Bestände - Aggregierte Sicht auf die Bestände über alle Quellen
    • Inventar-Kontrollen - Hinzufügen von Kontrollpunkten bei der Bestandsverwaltung
    • Vorbestellungen und Aufträge mit Lieferrückstand (Preorders & Backorders) - Handhabung von Preorders und Backorders von Kunden
  • Multichannel Fulfillment
    • Fulfillment-Optimierung - Management der Business- und Fulfillment-Logik mittels Konfiguration
    • Store Fulfillment - Optimieren der Order Routings und Ermöglichung von flexiblen Fulfillment-Optionen
  • Point of Sale Support
    • POS Consulting App - Übersicht relevanter Informationen zu Produkten und Kunden inklusive intuitiver Bedienbarkeit im Beratungskontext - mit wenig Schulung für die Mitarbeitenden im Store
  • Customer Service Support
    • Cart & Order Support - Übersicht und Eingriff in Warenkörbe und bestehende Orders (bis zur Definition des Bestellstatus)

Diese Order Management Systeme positionieren sich genau zwischen ERP-System und eCommerce-Lösung. Aber Achtung, OMS ist nicht gleich OMS - dieses Naming steht sowohl für ganz altbackene ERP-Teile als auch für modernste Software, deren Möglichkeiten einem vor Freude die Tränen in die Augen treiben.

Flexible Anwendungsfälle wie den folgenden zu realisieren, wird mit den aktuellen ERP sehr schwierig:

  • Der Konsument benötigt noch in der Filiale zwei weitere, vor Ort nicht verfügbare Artikel, welche er sich gerne nach Hause schicken lassen möchte.
  • Diese beiden Artikel sind auch nicht im Online-Shop verfügbar, jedoch genau in der gewünschten Kombination in drei weiteren Filialen.
  • Die Bestellung wird im OMS für die Abfertigung in anderen Filialen zur Verfügung gestellt und die drei möglichen Filialen für die Abfertigung werden informiert.
  • Die Filialen können die Bestellung “claimen”, einpacken und versenden.
  • Sollte es ein “Unclaim” (Zurücktreten vom getätigten “Claim”) geben, dann hat das einen Impact auf das zukünftige Qualitätsranking der Filiale, welche in der flexiblen Verteilung der Bestellung berücksichtigt werden kann.

Die nächsten Teile der Serie werden folgendes beleuchten:

  • Teil 2: Fokus Order Management Systeme (OMS) - welche Ansätze gibt es und was sind deren Auswirkungen
  • Teil 3: Fokus Digital Operations Platform (DOP) - weshalb sogar das alte ERP in Frage gestellt werden sollte
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Jörg Brunschwiler

Chief Consulting Officer & Partner

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