100 Tage selbstständig - es läuft nicht immer wie gewünscht!
von Michael Pertek am
Im ersten Teil der Blogserie zu den ersten 100 Tagen diselva sprach ich über die Gefühlswelt und die Achterbahnfahrten zu Beginn. Im zweiten Teil geht es um unsere "Business Insides": Fachkräftemangel, Maturität in der Digitalisierung und die Herausforderungen, agil und schnell in Unternehmen Projekte realisieren zu können. - oder anders gesagt “warum es doch nicht so glatt läuft…”.
Wenn eine Unternehmung ohne eigene Legacy - wie diselva - an den Start geht und dadurch ein hohes Mass an Flexibilität, Einsatzbereitschaft und Kooperationswillen hat, verändert sich die Perspektive auf mancherlei Themen doch gewaltig.
Digitalisierungsmaturität
Wo stehen die Unternehmen in der Digitalisierung? Es ist unbestritten, alle Unternehmen beschäftigen sich in welcher Form auch immer mit Themen der Digitalisierung. Die vielen Termine bei Kunden haben uns aber nochmals sehr plastisch vor Augen geführt, was wir schon aus unserer Erfahrung wussten - wirklich alle sind auf dem Weg der Digitalisierung, jedoch alle in sehr unterschiedlichen Ausprägungen und mit einer sehr unterschiedlichen Maturität der Digitalisierung und mit einer hohen Varianz in der Digitalkompetenz der Mitarbeitenden - gerade der Führungskräfte..
Wahrscheinlich nicht sehr überraschend - jedoch gibt es auch eine Gemeinsamkeit: alle Kunden suchen die externen Impulse und Unterstützung in unterschiedlichsten Formen von Führung, Konzeption, Analyse bis Challenging der eigenen Ideen. Die Herausforderungen im Umgang mit der Digitalisierung des Kerngeschäfts und speziell des Vertriebs sind kontinuierlich gestiegen. IT Infrastruktur und Architektur ist je länger je mehr zum unübersichtlichen und sich selbst evolvierenden Zoo geworden. Die Systeme haben sicherlich irgendwann einmal die richtige Funktion erfüllt, die fortschreitende Komplexität, Veränderung und vor allem Vernetzung von Daten und Systemen, die zunehmende Geschwindigkeit des Wandels erzeugen hohe Kosten und einen hohen Ressourceneinsatz, um diese Architektur zu betreiben und weiterzuentwickeln.
Die Fähigkeit zur Modularisierung und Vernetzung von einzelnen Systemen in eine funktionierende Gesamtarchitektur wird mehr und mehr zur Herausforderung, um den Ansprüchen des Vertriebs und des Business überhaupt gerecht werden zu können. Von einer Guidance durch eine nachvollziehbare strategische Ausrichtung vorzugeben, ganz zu schweigen. Wir sind uns sicher, hier zu ausgezeichneten Lösungen beitragen zu können.
Fachkräftemangel
Alle sprechen und klagen vom Fachkräftemangel im IT Bereich (siehe. z.B. in einer sehr aktuellen Studie der UBS). So schlimm kann es ja gar nicht sein. Es ist komplizierter als erwartet, einzelne Mitarbeitende in Unternehmen und Projekte als Unterstützung hineinzubekommen und dem akuten Mangel entgegenzuwirken. Gesetzliche Regularien, falsche Anreizsysteme, wenig flexible Arbeitsmodelle, hohe formale Hürden, undurchsichtige Personalvermittlungsprozeduren, fehlendes Einstehen für Kunden- und Projekterfolg beim “Überlassen von Personal” sind meiner Meinung nach Gründe, welche die flexible Nutzung der am Markt bestehenden freien Ressourcen und damit Ausschöpfung von vorhandenen Potentialen verhindern.
Der Fachkräftemangel könnte durch eine höhere Elastizität und einfachen Austausch von Kompetenzen (bitte nicht Ressourcen) zu einem nicht unerheblichen Teil reduziert werden. Hier ist ein Umdenken erforderlich. Nicht nur die Politik kann durch Liberalisierung dieses Dilemma lösen, insbesondere die Unternehmen untereinander können Agilität und Flexibilität Wirklichkeit werden lassen.
Sollten die Konzepte des “Modern ways of working” tatsächlich zur Anwendung kommen, Flexibilität und Effizienz die dominanten Parameter der Zukunft sein, dann sollte dies nicht an Unternehmensgrenzen enden. Warum nicht knappes und damit wertvolles Know-how und Fähigkeiten konsequent dort zum Einsatz bringen, wo der sinnvolle Einsatz das beste Momentum und damit der höchste gesamtwirtschaftliche Nutzen erbracht wird? Es geht also nicht mehr um einseitigen “Personalverleih” als Geschäftsmodell, sondern um wirkliche Kooperation untereinander, dem Austausch von raren und gesuchten Fähigkeiten.
Investoren, Prozesse, Prozeduren und viele gute Gründe es nicht zu tun
Im Zeitgefühl unserer Kunden und damit etablierter und grösserer Unternehmen sind 100 Tage einfach 100 Tage. Für uns als Start-up sind die ersten 100 Tage ausschlaggebend und entscheiden gefühlt über unsere zukünftige Existenz. Die Wahrnehmung und Intensität dieser 100 Tage könnte demnach nicht unterschiedlicher sein.
Bedarf bei Kunden ist da. Der Druck Probleme zu lösen ist hoch, Mitarbeitende sehen sich mit weitreichenden Herausforderungen konfrontiert, Chancen und Momentum wollen genutzt werden. Herausforderung und Problem sind verstanden - eine Lösung - die Lösung ist greifbar. Wir wären mit unserer Expertise und Verfügbarkeit zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber in jedem Unternehmen gibt es gute und nachvollziehbare Gründe es genau jetzt nicht zu tun und noch ein paar Abklärungen und Entscheidungen abzuwarten:
- … es müssen noch Prozesse und Prozeduren eingehalten werden
- … es muss erst noch mit …. abgesprochen werden
- … es muss noch ein richtungsweisender Investoren-Entscheid abgewartet werden
- … intern haben wir nicht die Ressourcen (Fachkräftemangel?)
- … wir müssen erst noch…andere Priorisierungen auf kurzfristige Aufgaben
- … das dürfen wir nicht ohne die Gruppen IT in den USA entscheiden
- … wir müssen erst die interne Organisation neu aufstellen, interne Organisations-Problematik müssen wir lösen, bevor das Thema weiterverfolgt wird
- … in drei Monaten fängt die neue CIO an, bis dahin…
- … wir wollen mal ohne externe Hilfe beginnen, da wir kein Budget, sondern nur den Auftrag haben…
- … macht Ihr das als gratis PoC oder MVP, dann können wir ja später…
Ohne Frage, vieles davon ist nachvollziehbar, zweckmässig und in Zeiten von Corporate Governance nicht nur sinnvoll, sondern schlicht notwendig. Teilweise fehlt es allerdings auch an unternehmerischen Entscheidungsspielräumen, das Richtige zu tun. Oft an Mut und noch öfter am wirklichen Veränderungswillen. Fakt ist, die Probleme bleiben bestehen und werden eben nicht konsequent angegangen. An manchen Orten sind Mitarbeitende unserer Kunden in überadministrierten und überregulierten Strukturen gefangen, die es verunmöglichen, Entscheidungen schnell, flexibel und im Sinne einer Lösung zu treffen.
In den Gesprächen mit diesen Mitarbeitenden wird viel Hoffnung auf Veränderung im Rahmen der Digitalen Transformation von Systemen und Prozessen geäussert. Jedoch braucht es zusätzlich zur Optimierung von Systemen und Prozessen das klare Bekenntnis dazu, Entscheidungen auch dort zu treffen, an denen entsprechendes Know-how vorhanden ist und Wirkung erzielt werden kann. Jede Entscheidung können wir im jeweiligen Kontext nachvollziehen, aber es wäre eigentlich genau umgekehrt: Jetzt mit externer Expertise weiterfahren, brächte den grössten Nutzen - Zeit verstreichen lassen bringt Kunden nicht näher an die gesetzten Ziele.
Schnell spürbare Resultate in Projekten zu zeigen ist nicht nur im Eigeninteresse von diselva, sondern im Interesse der Kunden und Unternehmen. Es hilft sowohl die Führungsebene als auch die Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit des Vorhabens zu überzeugen, den Vorteil für jede Stakeholdergruppe aufzuzeigen und das Frustpotential durch gefühlt endlose Verschiebungen zu reduzieren.
New kids on the block
Nicht nur wir als diselva sind neu am Markt - trotz 150 Jahren Erfahrung in der Digitalbranche. Neu sind auch viele Systeme. Schlanke, moderne Softwareprodukte drängen auf den Markt. Was haben wir gemeinsam? Keiner hat auf uns gewartet. Aber in der Rolle der Herausforderer der etablierten Beratungs- und Implementierungspartner und grossen, monolithischen Softwarehersteller sind wir gern gesehener und gefragter Ansprechpartner. Unser breites Netzwerk und die Reputation im Markt haben uns viele Türen geöffnet. In den Gesprächen, um wirkungsvolle Massnahmen rund um die digitale Transformation auf Prozess-, System-, und Organisationsebene voranzutreiben und in die richtige Richtung zu lenken, konnten wir durch unsere Erfahrung und Glaubwürdigkeit Kunden gewinnen und dürfen diese nun auf ihrem Weg führen und begleiten. Dennoch bleiben wir die “new kids on the block” und müssen uns jeden Tag neu beweisen.
Im dritten Teil meiner Blogserie zu den ersten 100 Tagen werde ich über unsere "Positionierung am Markt” sprechen: Neben dem Fakt, dass keiner auf uns gewartet hat, ist eine klare Differenzierung Fluch und Segen zugleich. Segen: Der Markt weiss, was er bekommt - Fluch: die vielen verpassten Gelegenheiten, denn das könnten wir ja auch noch…